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Scarface und Rocky


Scarface und Rocky - Lili Bach Blog

Nicht genug der Erniedrigung, dass mich trotz meiner High Heels die erfolgreiche Staranwältin aus Paris in ihren schicken Ballerinas um einen ganzen Kopf überragt. Die Giraffe trägt nebst der Prada Fransentasche unter dem schwarzen Dolce & Gabbana Hosenanzug oberfrech ein mega-cooles T-Shirt mit ‚Al Pacino – Scarface‘ mit Zigarre Aufdruck. Al. Pacino. Scarface. Magisch angezogen starre ich seit Stunden zwanghaft Al – und damit ihren Busen – an. Es ist grenzenlos peinlich. Die Bescheidenheitssicherung in meinem Hirn knallt qualmend durch und lindgrün vor Neid driftet meine Konzentration bedenklich von juristischen Killerstrategien zu perfiden Shirt-Eroberungstaktiken ab. Vom Leib reißen kann ich Madame das Kultobjekt schlecht, ohne einen Abbruch der bereits an der Kippe schwebenden Verhandlungen zu provozieren. Heldinnenhaft gelingt es mir einen kläglichen Rest an Contenance bis zum Ende des Meetings aufzubringen. Im Anschluss pfeffere ich einen Stapel Memoranden geistig über die linke Schulter, tauche ohne Umwege ins Internet ab und durchforste die einschlägigen Designer-Shops. Nichts. Weit und breit kein Al. Google erbarmt sich und spuckt höhnisch die Information aus, dass das Scarface-Shirt als absolutes Must-have der Frühjahrskollektion von Dolce gilt. Online ist kein einziges Stück zu ergattern, also tripple ich anderntags im ferngesteuerten Willhabenmodus in die Innenstadt. Die Verkäuferin im D&G Store betrachtet süffisant meine verwaschenen Jeans und ausgelatschten Sneakers, lacht mich mitleidig aus und erklärt mir wie einer begriffsstutzigen Außerirdischen, das Shirt sei seit Monaten vergriffen, nicht mal mehr in Singapur wäre Al zu haben, nicht mal wenn ich Madonna wäre. Allerdings hätten sie Rocky im Sale.

Ein Adrian brüllendes Sylvester Stallone Konterfei glotzt mich aus blutunterlaufenen Augen an. Unter seinem gemarterten Gesicht prangt in Blockbuchstaben „Italian Stallion“. Um nach dem frustrierten Jagdausflug nicht mit schmerzvoll leeren Händen vom Acker zu schleichen, nehme ich die Boxlegende mit nach Hause. Als ich Rocky das erste und letzte Mal ausführe, fühle ich mich très Parisienne und errege ungeahntes Aufsehen. Während in der Stammbar eine sich krampfhaft an ihrem Weinglas festklammernde Frau unterschwellig sinniert, wie sie mir das Teil vom Leib reißen könnte, sind die Männer deutlich direkter. „Hamma an unausgesprochenen Bedarf?“, grinst R., ein Möchtegern-Macho, der alles anbrät, was nicht bei drei auf dem Bäumen ist, „Mit dem italienischen Hengst kann ich gerne dienen.“ Mit plutoniumgeladenen Blick, der den Sprücheklopfer unter einer Sekunde zum Hausmeister einer Atommülldeponie degradiert, gegen die Gorleben ein Freizeitpark ist, schiebe ich Zettel und Stift über die Bartheke. „Zeichne dir eine Haflinger Stute auf“, mache ich den Rüpel mundtot, „oder besser noch eine kaltblütige Norikerin, die können nicht so schnell wegrennen“. R. ist beleidigt. Rocky hängt seitdem schmollend im hintersten Winkel meines Kastens und darf mich nicht mehr in der Öffentlichkeit begleiten.

Gelangweilt verfalle ich in postfeministisches Grübeln über Innovationen für die Herbstsaison, etwas unverfänglich Anspruchsvolles, womit wir im Dschungel der verdeckten Erotik keinen sexistischen Raubtieren zum Opfer fallen. Qualcosa ultra-chic e posh à la Einstein: ‚Albert – Intelligence is the New Sexy‘. Dieses Abbild eines niveauvollen Lotterlebens werfen Domenico, Stefano und die Bach auf den Modeweltmarkt, ich garniere mit dem Slogan Millionen samt Gratis-T-Shirt ab, und Madonna wird in Singapur bittere Tränen der Verzweiflung weinen.

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