Namensblüten
Um meine skurrilen Freundinnen und beziehungsgeschädigten Bekannten nicht zu brüskieren, kürze ich die Namen der Darsteller in meinen Blogs gnadenhalber ab und um keine Rückschlüsse auf reale Personen zuzulassen, entsprechen die Buchstaben nicht immer den tatsächlichen Namen – schließlich verleiten Abkürzungen in Glossen zu mehr oder weniger pikanten Lebenslagen unter der Gürtellinie zu Spekulationen. F. zum Beispiel. Ich gestehe, ich kenne gar keine F. Als ich das mit Bestürzung feststellte, fragte ich mich, wofür der sechste Buchstabe im Alphabet stehen könnte. Erstaunlicherweise stieß ich auf keinen zumutbaren Mädchennamen, der mit F. beginnt. Fritzi, Fredericke, Fedora, Florentine, Fauna, Ferdinanda, Frieda. Bei Fastrade und Frodelinde gab ich erschüttert auf. Allerdings klingen die unaussprechlichen F-Namen immer noch erträglicher als die chanel-schicken Vornamen, mit denen manche Neoeltern ihre Sprösslinge schon bei der Geburt brandmarken. Chantal und Kevin sind überaus beliebt, auch Jason und Jaqueline. Wäre ein Vorname klagbar, würde die Flut an Schmerzensgeldklagen gegen Eltern unsere Gerichte kollabieren lassen. Es muss wirklich nicht jeder Jimi-Blue und Wilson-Gonzales heißen. Cosma Shiva ist noch originell, solange man die Tochter von Nina Hagen ist und nicht den einschlägigen Nachnamen Kwapil führt. Romeo ist besonders delikat. Der arme Junge hat unter Garantie spätestens mit der Pubertät ein Frauenproblem und wird an einer Psychotherapie kaum vorbeikommen. Wenn er vom Pech verfolgt ist, heiratet er eine Julia. Nicht auszudenken wie deren Kinder heißen.
Und immer dieser Erklärungsbedarf. Man heißt nicht einfach Saskia. Man heißt Saskia, so wie Rembrandts erste Frau. Oder Cheyenne, da wo meine Eltern, na das ist jetzt aber wirklich peinlich. Namensmäßig bin ich prinzipiell sehr belastbar. Alle Dämme des Anstands brachen, als sich ein hübsches junges Mädchen als Übersetzerin bewarb. Sie war Italienerin und hörte auf den klangvollen Namen Edgarda. An sich noch kein Grund den Lachtod zu sterben, außer man weiß, dass mein Hund Edgar hieß. Sein Fell hatte die gleiche Farbe wie Edgardas Haar. Ich musste mich mehrmals mit angehaltener Luft aus dem Bewerbungspalaver entschuldigen und unter Schnauben und Tränen auf der Toilette ermahnen, mich wieder einzukriegen. Edgarda bekam die Stelle nicht.
Das zweite Mal verlor ich die Fassung, als an einem tropischen Strand bei Sonnenuntergang Ansgar unerwartet in mein Leben trat. Der gutaussehende Sonnyboy reichte mir die Hand und stellte sich mit den Worten vor: „Dr. Ansgar S., Sie wissen schon.“ Ich wusste rein gar nichts, war erst vor einer Stunde zwecks einer beruflich veranlassten Hotelinspektion im Inselparadies gelandet, und weil ich ja Überraschungen liebe, hatte mich niemand vorgewarnt, dass ich über Nacht mit dem Mann ein Drehbuch für einen Imagefilm erarbeiten würde, in dem ich am nächsten Morgen selbst eine tragende Sprechrolle übernehme sollte, mit einem Text, den ich noch schreiben würde müssen, und vor allem hatte mich niemand auf seinen gewöhnungsbedürftigen Namen vorbereitet. Verschärft wurde die Situation noch durch seine Eigenart, von sich selbst mit bayrischem Akzent in der dritten Person zu sprechen, und so versicherte Dr. Ansgar S. mir in diesen ersten zwei Minuten unserer Begegnung zehn Mal, dass „Doktor Ansgar S.“ das mit dem Filmchen schon schaukeln wird. Wir waren sofort per du und ich rätselte unsicher, ob ich ihn nun Ansgar oder Doktor Ansgar nennen sollte, beides wollte mir nicht über die Lippen kommen. Ein Totalkontrollverlust passiert mir zwar selten, aber wenn dann heftig. Vielleicht lag es am Jet Lag und daran, dass ich zwischen Hyperventilieren und Ohnmacht schwankte. Ohne es zu beschönigen: ich konnte nicht mehr stehen vor Lachen bei der Vorstellung wie dem braungebrannten Hünen seine Liebste zärtlich „Doktor Ansgar!“ ins Ohr haucht. Alles was ich kurz vor dem völligen Zusammenbruch hustend und prustend hervorbrachte, war: „Und wo steht dein Turm? In Mittelerde?“ Ansgar war beleidigt. „Mein Turm steht immer und überall!“, antwortete er irritiert, jedoch mit stolzem Brustton.
Das gab mir den Rest.